Basierend auf den in Spektrum 140 vorgestellten Grundlagen der energiedispersiven Röntgenspektroskopie (EDX) soll in Teil 2 der Einfluss verschiedener Analyseparameter diskutiert werden.
Form und Volumen der Anregungsbirne lassen sich durch die Analysebedingungen deutlich beeinflussen.
Die Eindringtiefe des Elektronenstrahls hängt zum einen mit der verwendeten Beschleunigungsspannung zusammen.
Bei UB = 15 kV kann die Tiefe der Anregungsbirne in Kohlenstoff bereits 3 µm betragen. Eine Reduzierung auf UB = 5 kV begrenzt sie dagegen auf etwa 1 µm. Des Weiteren hängt die Größe der Anregungsbirne mit der Dichte bzw. Ordnungszahl des untersuchten Materials zusammen (Hohe Dichte/Ordnungszahl = geringe Eindringtiefe). Eine Verminderung der Eindringtiefe lässt sich folglich mittels einer aufgebrachten Edelmetallschicht (Sputtern mit z.B. Gold oder Platin) erreichen. Durch das Aufbringen einer Metallschicht wird nicht nur eine verbesserte Leitfähigkeit hergestellt, sondern auch die Ortsauflösung verbessert. Hierbei ist zu beachten, dass die genannten Schwermetalle eine Fülle von zusätzlichen Peaks im Spektrum verursachen und die zu untersuchenden Elemente ggf. stören. Das Gebiet der Probenpräparation erfährt in jüngster Zeit berechtigterweise ansteigende Aufmerksamkeit, da sich mit einer guten Vorbereitung bessere Ergebnisse produzieren lassen. Bei Fragen zu diesem Thema verweise ich gerne auf meinen Kollegen Jan Kretschmer.
Zur Frage der Lokalisierbarkeit der erfassten Röntgensignale können außerdem Überlegungen zur Strahlgeometrie und zur Anordnung von Strahl, Probe und Detektor hilfreich sein.
Zunächst einmal ist ein Röntgendetektor eine Art Flächenzähler von Röntgenphotonen, welcher nur ein bestimmtes Rauminkrement erfasst. Ein hoher Take-off-angle (Winkel Probenebene/Detektorachse, siehe Abb. 1), wie er z. B. im neuen Phenom XL angebracht ist (29°), führt zu höheren Zählraten (counts per second, cps) und zu einem verminderten Einfluss der Absorption. Bei jeder EDX-Analyse muss der Schnittpunkt von Detektor- und Elektronenstrahlachse mit der Probenoberfläche zusammen treffen. Es ist wichtig, den Elektronenstrahl immer sauber zu fokussieren („scharfes Bild“) und den Arbeitsabstand (nach Herstellervorgaben) einzustellen. Abschattungseffekte am Rand der Probenkammer oder durch die Probenfixierung sind ebenfalls zu beachten.
Um für EDX-Analysen Röntgenemission einer bestimmten Energie EIon zu erhalten, benötigt man eine Anregungsenergie der Elektronen E0 von mindestens 1,5 · EIon. Man spricht vom sog. Überspannungsverhältnis U. Optimal ist ein Überspannungsverhältnis von 2,5 bis 3:
U = E0 / EIon = 3.
Bei U = 15 kV sind somit Röntgenquanten mit einer Energie von bis zu EIon = 10 kV zu erwarten, darüber hinaus nimmt die Intensität der Peaks deutlich ab. Hieraus folgt, dass man durch Variation der Beschleunigungsspannung die Röntgenemission bestimmter Kanten besonders stark oder schwach anregen kann. Soll z. B. die Verteilung leichter Elemente wie Kohlenstoff oder Stickstoff in Verbindungen mit schweren Elementen untersucht werden, ist es u. U. sinnvoll, die Beschleunigungsspannung auf 5 kV herabzusetzen. Zur Verbesserung der Quantifizierung von schweren Elementen sind ab jetzt Analysen mit 20 kV am Phenom XL möglich.
Zuletzt ist auch der Durchmesser des Elektronenstrahls von Bedeutung, je nach verwendetem Mikroskop als „intensity“, „current“ oder „spotsize“ bezeichnet. Je größer der Durchmesser des Elektronenstrahls, desto höher sind die Zählraten und desto schneller erhält man ein Spektrum mit guter Zählstatistik. Wie oben erwähnt, führt das Ganze jedoch zu einer Verbreiterung der Peaks. Außerdem ist auch die Ortsauflösung naturgemäß schlechter.
Wenn man über geeignete Parameter für EDX-Analysen spricht, gehören ebenfalls Überlegungen zur Probencharakteristik dazu. Hier gilt der Grundsatz: Je homogener die Probe, desto sicherer die Ergebnisse. Der Begriff „homogen“ ist dabei auf zweierlei Weise zu verstehen. Zunächst sollte die Probe eine möglichst homogene Zusammensetzung aufweisen. Schichtstrukturen, Einschlüsse und Körner unterschiedlicher Zusammensetzung müssen erkennbar sein.
Ein EDX-Spot könnte bei Korngrößen von nur wenigen Mikrometern Durchmesser benachbarte Körner erfassen. Eine zu dick aufgebrachte Goldschicht auf einem Kohlenstoffsubstrat verkleinert die Anregungsbirne auf den Bereich der Goldschicht. Kohlenstoff-Röntgenphotonen werden außerdem nahezu vollständig in der Goldschicht absorbiert. Der Begriff „homogen“ meint in diesem Zusammenhang auch die Eigenschaften der Oberfläche. Eine starke Topographie verhindert gleiche Bedingungen beim Austritt der Röntgenstrahlen aus dem Material. Deren Absorptionsweg ist unterschiedlich und nicht genau definierbar. Falls die Oberfläche eine Topografie aufweist, ist darauf zu achten, dass die gewählten Messpunkte nicht in abgeschatteten, bzw. dem EDX-Detektor abgewandten, Bereichen liegen. Linien- und Flächenmessungen liefern nur an planen, optimalerweise polierten Oberflächen ein zuverlässiges Ergebnis. Es betrifft vor allem die „weiche“ Röntgenstrahlung leichter Elemente, welche am stärksten absorbiert wird (siehe Abb. 2). Der Fehler in der Quantifizierung im vorliegenden Beispiel ist enorm. Es ist durchaus möglich, dass beim Messen auf einer dem EDX-Detektor abgewandten Seite nahezu keine relevanten Röntgenquanten gezählt werden können. Meist sind in diesem Fall nur noch der Bremsstrahluntergrund und einige schwach ausgeprägte Peaks zu sehen. Eine unebene Topographie führt also zu einer erhöhten Selbstabsorption von Röntgenstrahlen in der Probe. In einer der nächsten Ausgaben werden Artefakte im EDX-Spektrum thematisiert sowie einige grundlegende Aspekte der Quantifizierung betrachtet.