Mit der Kryo-Rasterelektronenmikroskopie können wasserhaltige oder sensible Proben in ihrem natürlichen Zustand beobachtet werden. Ein Rasterelektronenmikroskop (REM) arbeitet bei vermindertem Druck von 1 x 10-1 bis 1 x 10-5 Pa (10-3 und 10-7 mbar) und einer Temperatur von ca. 295 K (22 °C). Unter diesen Bedingungen ist Wasser gasförmig und nicht für die Elektronenmikroskopie geeignet. Durch starkes Abkühlen der Probe gelingt es, die Sublimation von Wasser stark zu verlangsamen. So können auch stark wasserhaltige Proben untersucht werden.
Anwendungen für Kryo-Methoden finden sich in den Bereichen Kunststoffe, Textilien, Proben mit niedrigem Schmelzpunkt (Öle, Farben, Lacke), Suspensionen (Kosmetika, Pharmazeutika) und biologische Proben (Pflanzen, Pilze, Gewebe, Organismen). Besonders interessant ist die Darstellung und Untersuchung von Reaktionen wie bei der Abbindung von Zement.
Bei einer typischen Kryo-Präparation werden als Erstes die zu untersuchenden Proben sehr schnell eingefroren damit sich z. B. bei wässrigen Proben keine großen Eiskristalle bilden, die das Probenmaterial schädigen. Zum Schockgefrieren kann unter anderem „slushy“-Stickstoff genutzt werden. Das ist ein sehr kaltes Stickstoffgel (ca. -210 °C), welches die Probe besser benetzt als flüssiger Stickstoff und damit auch schneller einfriert. Der Grund für die langsame Abkühlung der Probe mit Flüssigstickstoff liegt in der Bildung eines isolierenden Gaspolsters (Leidenfrost-Effekt). Andere Methoden zur Kryo-Fixierung sind Hochdruckgefrieren, Metallspiegelfixierung, Einfrieren durch einen Kühlmittelstrahl etc..
Im zweiten Schritt wird die tiefgefrorene Probe in eine Vakuumkammer transferiert und dort präpariert. Dazu wird sie mit einer elektrisch leitfähigen Schicht aus Kohlenstoff oder Metall (z. B. mit Iridium für hochauflösende REM-Bilder) versehen oder gebrochen. Dies erlaubt einen Blick ins Innere der Probe. Anschließend wird die Probe unter Kühlung (normale Arbeitstemperatur -140 °C) in das Rasterelektronenmikroskop verbracht und dort unter ständiger Kühlung untersucht.
Diese auf den ersten Blick aufwendige Prozedur verhindert Probenschrumpfung und Oberflächenverzerrungen, wie sie, wenn auch in geringem Umfang, sowohl bei der Kritsch-Punkt-Trocknung als auch bei der Gefriertrocknung von wässrigen Proben auftreten. Zudem ist die Trocknung mit überkritischem Kohlenstoffdioxid (Kritsch-Punkt-Trocknung) begrenzt auf Stoffe, die nicht sensibel auf Lösungsmittel (Ethanol oder Aceton) reagieren, zum Beispiel Wachse auf der Oberfläche von Blättern (Lotus-Effekt). Die typische Kryo-Präparationszeit beträgt ca. 10 Minuten vom Einfrieren der Probe bis zum Einschalten des Elektronenstrahls. Im Fall der Gefriertrocknung kann die Trocknung einige Stunden bis Tage dauern und eine Probenschrumpfung bewirken. Ein Brechen der Proben in gefrorenem Zustand (Gefrierbruch) liefert zusätzlich Informationen über das Probeninnere. Durch eine gezielte kurzzeitige Temperaturerhöhung der Probe auf -80 °C kommt es zur Sublimation von Oberflächenwasser und damit verbunden zu einer Freilegung feinster Strukturen. Die neue Generation der Kryo-Präparationssysteme macht Tieftemperaturpräparation sehr viel einfacher, schneller und reproduzierbarer als früher. Die On-Column-Systeme werden über einen geeigneten Flansch an das Mikroskop angebaut. Die Präparationskammer wird unter Hochvakuum gekühlt und beinhaltet alle Einrichtungen für die Präparation (Brechen, Beschichten) sowie eine Probenschleuse.
Mit diesen Systemen kann die Probe sehr viel schneller nachpräpariert werden um z. B. einen weiteren Gefrierbruch durchzuführen oder mehr Beschichtungsmaterial aufzutragen als mit einem Off-Column-System. Außerdem bleiben auch bei einer Nachpräparierung die Druckverhältnisse konstant und die Probe durchgängig gekühlt. Mit der On-Column-Präparation können dynamische Reaktionen verfolgt und angehalten oder wie z.B. bei Zementabbindung stark verlangsamt werden.
Insgesamt ist Kryo-Präparation ein starkes Werkzeug für die Rasterelektronen-
mikroskopie, mit dem man der „wahren Natur“ von Proben näher kommt als mit vielen anderen Methoden. Das Bild zeigt Strukturen (blau), welche die Pflanze vor Angriffen schützen. Auf der Oberfläche des Blattes sind gut erhaltene Spaltöffnungen, mit typischen wurstförmigen Schließzellen, zu erkennen, durch die der Gasaustausch stattfindet. Lavendel-Öl-Tröpfchen (rotbraun) sind auch nach der Präparation noch vorhanden.
Mehr zum Kryopräparations-System für die Elektronenmikroskopie