Bell-Test ohne Schlupfloch –
Wenn Einstein das wüsste

„Es scheint hart, dem Herrgott in die Karten zu gucken. Aber dass er würfelt und sich telepathischer Mittel bedient (wie es ihm von der gegenwärtigen Quantentheorie zugemutet wird), kann ich keinen Augenblick glauben.“ Diesen Satz schrieb Albert Einstein in einem Brief an Cornelius Lanczos im Jahre 1942.

Die Quantenmechanik – eine Teildis­zip­lin der Quantenphysik – erlaubt das Ver­knüpfen (Verschränken) von Zu­ständen zweier weit voneinander ent­­fernter Teilchen. Aus der Messung des Zustandes des einen Teilchens lässt sich unmittelbar der Zustand des anderen Teilchens ablesen. Unter anderem wegen dieser merkwürdigen Eigenschaft hatte Einstein die Theorie der Quantenmechanik stets abgelehnt. Einstein vermutete, dass sich diese Wechselwirkung mit bisher unbekannten (versteckten) Variablen erklären lässt.

Im Jahre 1964 hat der Physiker John Steward Bell ein Experiment zum Nachweis der Verschränkung vor­geschla­gen – den Bell-Test. Dieses Experiment soll die Theorie der verdeckten Variablen widerlegen. Zwar ist die Gültigkeit der Quantenmechanik bereits seit Jahrzehnten bestätigt, jedoch ließen bisher alle Bell-Tests einige Schlupflöcher offen. Die beiden wichtigsten Schlupflöcher sind das „Nachweisschlupfloch“ und das „Lo­ka­litätsschlupfloch“.

Es wäre möglich, dass bei einem Nach­weis der Verschränkung nur ein Teil der Teilchen gemessen wird, da der Detektor nicht perfekt funktioniert. Er könnte nur jene Teilchen messen, welche die von der Quantenmechanik geforderte Korrelation zeigen, ohne die Teilchen nachzuweisen, welche anderen Gesetzmäßigkeiten gehorchen. Die Quantentheorie lieferte demnach nur eine partielle Beschreibung der Wirklichkeit und könnte durch eine umfassendere Theorie ersetzt werden. Dieses Schlupfloch nennt man das Nachweisschlupfloch. Anstatt einer Verschränkung der Teilchen könn­te auch ein Signal von einem zum anderem gelangt sein. Die zwei Teilchen wären dann nicht länger ein holis­ti­sches System wie es die Quan­ten­me­chanik fordert, sondern zwei ge­trennte Systeme, welche In­for­­ma­­tio­­­nen austauschen. Dieser In­for­­­ma­tions­­­austausch dürfte gemäß der Re­lati­vitätstheorie höchstens mit Licht­­ge­schwindigkeit erfolgen. Diese Er­klä­­rung ist zwar sehr unwahrschein­lich, aber nicht vollständig aus­ge­schlos­­­sen. Dieses Schlupfloch nennt man Lokalitätsschlupfloch.

Man konnte bereits je eines dieser Schlupflöcher experimentell schließen, jedoch nie beide zur selben Zeit. Bas Hensen und seinen Kollegen von der TU Delft ist es nun erstmals gelungen, beide Schlupflöcher gleichzeitig in einem Bell-Experiment zu schließen [1]. Hierzu haben sie zwei Diamanten mit Stickstoff-Fehl­stel­­len-Zentren („nitrogen vacancy center“) auf einige Kelvin abgekühlt.

Dieser Defekt ist aufgrund der Anord­nung seiner Elektronen eine gängige Einzelphotonenquelle. Die beiden Diamanten befanden sich in verschiedenen Labors und wurden über eine 1,3 km lange Faser miteinander verbunden. Die große Ent­fernung ermöglicht ein kurzes Zeit­fenster von wenigen Millionstel Se­kun­den, in dem sich Messungen an den Elek­tro­nen durchführen lassen, ohne dass ein Informationsaustauch zwischen den Systemen oder den Detek­toren mit Lichtgeschwindigkeit möglich ist. Damit wurde das Loka­litäts­schlupfloch geschlossen. Durch die Messung aller verschränken Elek­tro­nenpaare des Stickstoff-Fehl­stel­len- Zentrums gab es auch kein Nach­weis­schlupfloch.

Die gemessene Korrelation der Zu­stände zweier Elektronen hat die Vor­hersage der Quantenmechanik voll bestätigt und damit Einsteins Theorie der versteckten Variablen endgültig widerlegt. Dieses Experiment wurde mit Hilfe einer Cryostation von Montana In­struments durchgeführt. Die Cryo­station bietet eine störungsarme Umgebung bei 4 K und flexiblen optischen Zugang.

[1]     Loophole-free Bell inequality violation using electron spins separated by 1.3 kilometres. Nature, Hensen et al., 2015

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