Niedervakuum-Rasterelektronenmikroskopie: Wenn schlechtes Kammervakuum zum „Gamechanger" wird

Rasterelektronenmikroskopie (REM) wird häufig bei einem möglichst geringen Kammerdruck betrieben, welcher üblicherweise im Bereich des Hochvakuums oder Ultrahochvakuums liegt. Ziel dabei ist, die Elektronenstreuung an Restgasmolekülen durch ein gutes Vakuumlevel in der Kammer zu minimieren. Durch die geringe Streuung werden eine optimierte Elektronenstrahlqualität sowie eine hohe lokale Auflösung und ein gutes Signal-Rausch-Verhältnis garantiert .

Weshalb Niedervakuum?

Konträr zu dieser Optimierungsstrategie existieren in der Praxis Anwendungsfälle, bei welchen ein Rasterelektronenmikroskop gezielt bei einem höheren Kammerdruck betrieben wird (Niedervakuum-REM). Klassischerweise handelt es sich hierbei um Messungen von elektrisch isolierenden Materialien (z.B. Oxidschichten, Mineralien, Kunststoffen, biologische Fasern, pharmazeutische Produkte), deren Oberflächenstrukturen im Originalzustand untersucht werden sollen (Abb. 1a, 1b; ohne zusätzliche leitfähige Beschichtung). Im Hochvakuum würde das Rastern mit dem Primärelektronenstrahl über elektrisch isolierende Materialproben zu elektrostatischen Aufladungen der Probenoberfläche führen. Die Folgen von Aufladungen wären in REM-Aufnahmen durch Störartefakte direkt erkennbar, beispielsweise durch helle und dunkle Flächenbereiche im Bildkontrast (Abb. 1c), durch Schädigungen der Probenoberfläche (Abb. 1d) oder auch durch eine starke Probendrift.
Für die Kompensation solcher Aufladungsartefakte wird die Niedervakuum-REM unverzichtbar: In der Kammeratmosphäre mit einem Druck zwischen 6 und 100 Pa kollidieren Elektronen des rasternden Primärstrahls mit Atmosphärenmolekülen, wodurch eine signifikante Menge der Moleküle zu positiv geladenen Kationen reagiert. Existiert nun auf der Probe eine negative Oberflächenladung, driften diese Kationen im elektrischen Feld der Probe in Richtung der Oberfläche und neutralisieren den dort vorhandenen Ladungsüberschuss. Durch diesen schonenden Entladungsprozess werden Aufzeichnungen von REM-Bildern ohne störende Aufladungsartefakte möglich (Abb. 1a, 1b).

Detektorwahl und Vakuumlevel

Für die Detektion von Rückstreuelektronen (BSE) kann im Niedervakuum sowie im Hochvakuum ein hochsensitiver Halbleiterdetektor genutzt werden. Bei der energiedispersiven Röntgenspektroskopie (EDX) kann charakteristische Röntgenstrahlung ebenfalls druckunabhängig mit einem Silizium-Drift-Detektor detektiert werden.
Sekundärelektronen (SE) hingegen können im Niedervakuum nicht mit einem klassischen Everhart-Thornley-Detektor (ETD) detektiert werden. Das Problem hierbei ist, dass zum Ansaugen von SE am Faradaykäfig des ETD eine Hochspannung angelegt ist, welche elektrostatische Entladungen über die Kammeratmosphäre hervorrufen würde. Aus diesem Grund wird im Niedervakuum eine indirekte Detektionsmethode angewandt: Durch den Primärelektronenstrahl generierte SE werden durch ein angelegtes elektrisches Feld von der Probenoberfläche in Richtung Detektor beschleunigt. Die SE kollidieren dabei auf dem Weg durch die Kammer mit Atmosphärenmolekülen, welche per Stoßanregung in energetisch höhere Zustände überführt werden. Bei den anschließenden Relaxationsprozessen in den Grundzustand werden die Energiedifferenzen der Elektronenübergänge über Photonen emittiert, welche von einem optischen Detektor (UVD, engl.: ultra variable-pressure detector) registriert werden. Die detektierte Intensität in jedem gerasterten Bildpixel korreliert dabei mit der Anzahl der erzeugten SE und bildet damit die Topografie der Probenoberfläche ab.
Bonusfeature: Im Hochvakuum kann der UVD zusätzlich für Mapping von Kathodolumineszenz bei entsprechend aktiven Materialien verwendet werden.
Durch den relativ einfachen Kunstgriff mit dem schlechten Vakuum wird dem Anwender eine Möglichkeit erschlossen, auch an elektrisch isolierenden Materialien hochauflösende REM-Untersuchungen vorzunehmen. Niedervakuum-REM lässt sich dabei bereits in Tabletop- und Kompakt-Rasterelektronenmikroskopen realisieren wie beispielsweise bei unserem Hitachi TM4000plusII und Hitachi FlexSEM1000II.
Wenn Sie weitere Fragen zur Niedervakuum-REM haben oder einmal die praktische Leistungsfähigkeit dieser Methode an unseren Demogeräten austesten wollen, melden Sie sich gerne bei uns.

Mehr über Tabletop- und Kompakt-Rasterelektronenmikroskope

Ansprechpartner

Dr. Simon John
Dr. Simon John

Anmeldung

Newsletter Anmeldung

Kontakt

Quantum Design GmbH

Breitwieserweg 9
64319 Pfungstadt
Germany

Telefon:+49 6157 80710-0
E-Mail:germanyqd-europe.com
Dr. Simon JohnProdukt Manager - Elektronenmikroskopie
+49 6157 80710-841
E-Mail schreiben